Zu Gast bei den „Schnegerern“

Von Krippe zu Krippe

Traditionell dauert die Weihnachtszeit bis 2. Februar, bis zum Fest Mariä Lichtmess. „Kleine Weihnachten“ wird es im Volksmund genannt. In Ebensee am Traunsee im Salzkammergut findet in dieser Zeit die „Kripperl­roas“ statt: Jeden Winter können im Museum Ebensee, in der Pfarrkirche und in Privathäusern Weihnachtskrippen besichtigt werden. Teilweise sind die Exponate 200 Jahre alt. In diesem Jahr reiht sich die Schau ins Programm der Europäischen Kulturhauptstadt ein.

Seit jeher gilt das Salzkammergut als Krippenlandschaft. So entwickelte sich im 19. Jahrhundert insbesondere in dem kleinen Ort ein neuer Krippentypus: die Ebenseer Landschaftskrippe. Die oft zimmerfüllenden Krippen umfassten meist mehrere hundert Figuren. Die Ebenseer Krippenbauer, die „Schnegerer“, stellten darin ihre Heimat dar, die Gestalten aus Hirtenliedern bevölkerten. Mit der „Kripperlroas“, der Reise von Krippe zu Krippe, klingt die Weihnachtszeit aus.

Franz Stüger freut sich über jeden Gast, der seine Krippenlandschaft sehen will. Die Vorbereitungszeit für den Aufbau beginnt meist schon im September. „Wurzeln und Moos hole ich vom Berg“, sagt der Ebenseer. Er deutet auf Felsblöcke mit Versteinerungen inmitten einer Fantasielandschaft und auf die unzähligen Figuren davor und dahinter. Die Krippenszene ist eingebettet in sattes Moosgrün. „Gute drei Wochen brauche ich zum Aufbau“, sagt er.

Jedes Jahr anders

„Immer am Abend nach der Arbeit und an den Wochenenden bin ich stundenlang mit dem Gestalten beschäftigt. Ich achte darauf, dass die Szenerie jedes Jahr anders aussieht“, betont der gelernte Zimmermann. „Als Zwölfjähriger fuhr ich mal mit dem Zug zur Krippenschau in Bad Ischl. Diese eine Krippe mit riesigem Ausmaß – das war’s! So etwas wollte ich auch haben.“ Jetzt hat er die 50 Lenze hinter sich und sich seinen Wunsch von einst erfüllt.

Ganz in der Nähe liegt direkt am Fluss Traun, nach dem der See benannt ist, das Haus von Rosa Spiesberger. Ihr Sohn hat die Tradition des Krippenbauens vom verstorbenen Vater übernommen. „Das Panorama hat meine Tochter gemalt“, sagt die Witwe und deutet auf den Horizont. „Mein Sohn übernimmt den ganzen Aufbau, ich schaue nur nach, wie weit er schon ist“, sagt sie und schmunzelt. 

Uraltes Brauchtum

Ebensee und das gesamte Salzkammergut bilden eine der drei Europäischen Kulturhauptstädte 2024. Der Salzort liegt am Südufer des Traunsees zwischen Höllengebirge, Sonnstein, Erlakogel und dem Toten Gebirge. Die „Lamba“ nennen die Einheimischen den Ort – von der „Langbath“, einem Seitenbach der Traun, der hier einen Schuttkegel aufgeschüttet hat. Weil Ebensee bis 1861 von Norden her nur per Boot erreichbar war, hat sich hier uraltes Brauchtum erhalten können. 

Während des Zweiten Weltkriegs und in den Jahren danach sollen mehr als 100 Krippen aus dem Salinenort weggekommen sein – sei es als Zwangsverkauf, um überleben zu können, oder weil man „modern“ sein wollte. Auch das durch die Nazis verhängte Verbot, Krippenfiguren zu schnitzen, spielte eine große Rolle. Das Schnitzen galt als Verschwendung von Holz – und damit von Volkseigentum. Viele Wohnungen, Häuser, Schulen und sogar Kirchen wurden „gereinigt“. 

In den vergangenen Jahrzehnten jedoch erlebte die Krippe in Ebensee eine richtiggehende Renaissance. Zahlreiche Exponate wurden aus den Kellern und von den Dachböden geholt und nach langer Zeit wieder aufgestellt. Zu diesem neuen Stellenwert der Krippen haben zweifellos die Ausstellungen im örtlichen Museum einen großen Beitrag geleistet. 

Die Natur spielt verrückt

Da die Menschen sowohl räumlich als auch gedanklich eng mit ihren Krippen zusammenlebten, erhielten viele der aus Lindenholz geschnitzten Figuren Namen. Sie wurden in die Familie integriert. In der Ebenseer Landschaftskrippe ist die Zeit aufgehoben, denn es wird immer eine sommerliche Welt dargestellt. Selbst die Natur kehrt sich um und „spielt verrückt“, weil Jesus Christus geboren ist, der Heiland der Welt – soll das aussagen.

Jede Krippe hat ein Hintergrundgemälde, die „Hald“. An ihrem oberen Rand ist ein Efeukranz angebracht, in dem Singvögel aus Papier hineingesteckt sind. Die Ebenseer haben eine jahrhundertelange enge Verbindung zu den einheimischen Vögeln. Darüber hinaus symbolisieren diese Vögel die menschlichen Seelen, die dem Volksglauben zufolge in den Himmel hineinfliegen können, wenn sie fest an das Jesuskind glauben.

Sabine Ludwig

Information

Die Krippenausstellung im Museum Ebensee ist noch bis 2. Februar von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Infos im Internet: www.museumebensee.at.